Stuttgart

Stuttgart Collage
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Leseprobe Prolog

Das Tal war von Weingebirgen und Wald eingeschlossen. Es öffnete sich gegen Morgen hin zum Neckar und ließ dort eine freiere Aussicht. An der tiefsten Stelle des Kessels lag die Innere Stadt mit dem Alten und Neuen Schloss, der Akademie und dem Komödienhaus. Zur reichen Vorstadt im Norden mit winkelrecht gehenden, breiten Fahrwegen und prächtig verzierten Häusern aus Stein wie dem Gebäude des Landtags mussten alle, ohne Standesunterschied, mehrere Fuß hinaufsteigen. In der Inneren Stadt krümmten sich die meisten Straßen und verdienten ihren Namen nicht. Enge und finstere Kehrwieder boten keinen Durchschlupf.

Über den Stuttgarter Marktplatz rund um das ehemalige Herrenhaus eilten an einem späten Nachmittag im August 1804 viele Menschen zwischen den Hühnern durch die verwinkelten Gassen. Der Kurfürst würde den Landtag neu ausschreiben, hieß es.
Im Haus Nummer 511 setzten bei der blutjungen Frau des Hofconditors die Wehen ein. Vier Wochen zu früh.

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Leseprobe Herbst 1812

Die beiden in Grau uniformierten Wächter am Königstor ließen die Chaise ohne Kontrolle passieren. Eine außerordentliche Fracht hatte dieser Kutscher aus der Stadt geschafft, soeben brachte er sie wieder hinein. Nach wie vor trug er seinen runden, schwarzen Hut und sah nicht davon ab, die »Allgemeine Zeitung« zu lesen. Er musste unter einem besonderen Schutz stehen. Da wollten sie sich nicht das Maul verbrennen. Ihr Kollege war damals nach Martini auf dem Hohenasperg gelandet. Zu viel zu wissen, war schädlich fürs Gemüt und die Gesundheit, wenn Kopf und Ranzen beieinanderbleiben sollten. Ein scharfes Schwert fand der König allemal. Von den Verlusten in Russland sprach man auch besser nicht. Majestät kümmerte sich derzeit um die Repräsentanz seiner Königstraße. Das Tor war lediglich dem Anschein nach neu. Die Trophäen stammten vom alten Esslinger Tor. Und der Marstall war vor zwei Jahren von der Solitude versetzt worden. Wenn nur die bronzenen Pferde nicht von der Kuppel herabstürzten. Unentwegt wieherte es. Ein vielstimmiger Chor aus Prusten und Schnauben. Der scharfe Gestank von Pferdemist waberte durch die Luft. Wenn sie auf Posten standen, waren sie darin eingehüllt, es gab kein Entkommen, und doch hatten sie ihr Auskommen.

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Leseprobe Stuttgart 1820

Nach einem rasanten Abstieg fand sie sich auf der Hauptstätter Straße wieder, wie breit sie war, fast ein Platz. Und kein Ende, beinahe hätte man meinen können, die Residenz wolle bis Tübingen wachsen. Auf dem Weg durch die Vorstadt ein Gerüst neben dem anderen. Ja, sie wollte eine ganz neue Stadt! Sie sollten bauen, so viel an Geld da war.
Die Gerberstraße. Hier roch es weit schlimmer als in der Kanalstraße, nicht nur modrig, sondern scharf, dass es ihr in der Nase brannte. Sophienstraße und Christophstraße.
Sie bog links ab und an der Tübinger Straße rechts. Kurz darauf lag das Katharinenstift vor ihr, morgen war sie wieder ein Laubfrosch, quak, quak. Sicher hatte Maman sie für heute entschuldigt. Nanette hüpfte ein paarmal. Die Leute wandten sich nach ihr um. Was hatten sie auch hier zu suchen? Nicht umdrehen, womöglich wurde sie erkannt. Das Gewimmel in der Hirschstraße beschützte sie.
Als sie über den Marktplatz ging, trug sogar das Herrenhaus ein Gerüst. »Morgen wird es abgerissen«, sagte eine Frau. »Aber die Bücher«, stammelte Nanette und rannte zu Onkel Ludwig in die Königstraße. Nur er konnte helfen. Die Bibliothek durfte man nicht abreißen! So neu musste Stuttgart nicht werden.

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Leseprobe Frühjahr 1819

Mit einem Satz sprang der Kutscher vom Bock. Frau Bergrat Hehl wich zurück. Betont langsam legte er die »Allgemeine Zeitung« beiseite. Das Mädchen war groß geworden und kein Kind mehr. Hatte es ihn erkannt? Er lud das Gepäck auf und schob seinen runden, schwarzen Hut zurecht. Auf dem Wagen knallte er scharf und kurz mit der Peitsche durch die Luft. Sie setzten sich in Bewegung, die Hufe klapperten dumpf auf dem Pflaster. Der Klang verriet, dass die Pferde diese Fuhre nicht leichtnahmen. Zögernd bewegten sie sich in der Poststraße, dann etwas leichter im Trab die Königstraße hinunter. Über den Hausdächern schwebten die beiden ungleichen Türme der Stiftskirche. Nach dem Rappschen Garten zog er die Zügel an und passierte umsichtig die Engstelle am Griesingerschen Haus. Die Kastanien auf der Planie standen in vollem Grün. Erste weiße Kerzen leuchteten heute in der Morgensonne. Gerne ließ er dort seine Chaise im Schatten warten und schaute zum Alten Schloss hinüber. Seit ein paar Jahren fehlten die Küchenschornsteine. Abgebrochen, auf Befehl des Königs. Schade, dass niemand mehr die Speisen über die Planie trug. Kurzweilig war das gewesen, doch Wilhelm hatte die Diener schneller entlassen, als ein Täubchen im Rohr gar wurde. Die Kutscher hatten Glück gehabt. König Wilhelm hatte die Stadtmauern schleifen lassen und die Tore geöffnet. Ein wahrer Segen für das Fuhrgewerbe. Unter Missachtung aller Verkehrsregeln ließ er die Pferde im Galopp über den Charlottenplatz donnern.

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